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25.01.2018, 22:00 Uhr | Dr. Matthias Bollmeyer
Ein Fremdenverkehrsbeitrag gehört nicht zu Jever
Redebeitrag aus der heutigen Ratssitzung

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
der Fremdenverkehrsbeitrag, über den wir zum Glück heute das letzte Mal diskutieren und abstimmen werden, wurde von der jeverschen CDU von Anfang an mit besonderer Aufmerksamkeit, Skepsis und Ablehnung begleitet. Insofern sind wir froh, wenn eine lange Geschichte endlich zum Ende kommt. Wie sagt der Volksmund: Was lange währt, wird endlich gut!
Der Fremdenverkehrsbeitrag beschäftigte schon die Ratsmitglieder der Ratsperiode von 2006 bis 2011, die Unzufriedenheit in der Stadt wurde zunehmend größer und gipfelte im gerichtlichen Vergleich vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg am 27. Juni 2016. Die jeversche CDU ist der Meinung, dass der Fremdenverkehrsbeitrag von Anfang an scheiterte, weil er nicht bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern angekommen war und von ihnen nicht akzeptiert wurde. Und er umfasst zudem einen riesigen Verwaltungsaufwand, der wieder abgeschafft werden muss. Berechnungen haben uns gezeigt, welcher Anteil der Einnahmen von den Verwaltungsausgaben, Anwaltshonoraren und Gerichtskosten wieder aufgezehrt wurde.
Vor diesem Hintergrund sind auch die hier in den Gremien noch zuletzt diskutierten 30.000 EUR der Gewerbetreibenden nicht als Kompensation zu sehen, denn für einen abgeschafften Fremdenverkehrsbeitrag muss kein bisher Zahlungspflichtiger eine Kompensation erbringen. Dieser Zusammenhang besteht juristisch eindeutig nicht. Dennoch haben wir das Vertrauen in die Gewerbetreibenden, dass die entsprechende Zuwendung bei der Stadt ankommen wird. Für die CDU steht somit heute nicht die buchhalterische Abrechnung auf dem Plan, sondern die rechtssichere Befriedung einer Spannung, die unsere Stadt jahrelang bewegt hat. Den jeverschen Grünen und der jeverschen FDP danken wir für die gute gemeinsame Vorbereitung!

Fraktionsvorsitzender Dr. Matthias Bollmeyer.

Und weil ich gerade vom Vertrauen der jeverschen Gewerbetreibenden sprach, möchte ich zwei Beispiele ansprechen. Der jeversche Hausmeisterservice, ein Ein-Mann-Betrieb, bekam ebenfalls einen Bescheid für den Fremdenverkehrsbeitrag. Er arbeitet zwar grundsätzlich nicht in Ferienwohnungen, aber vorgesehen war, dass er zahlen müsste, weil er zumindest theoretisch in einer Ferienwohnung arbeiten könnte. Und dann war da die jeversche Physiotherapeutin, die sich über ihren Bescheid wunderte, denn sie hatte doch noch nie einen Urlauber behandelt. Die offizielle Erklärung war in diesem Fall, dass die Stadt Jever davon ausgehe, dass sie zumindest den Handwerker therapiere, der beispielsweise eine Urlauberunterkunft renoviert habe, so dass sie als drittes Glied zu den Vorteilsnehmern am Tourismus gehöre. Wie heißt es im Titel des Leitbilds unserer Stadt: Jever ist anders. Lebendig, überraschend, vielseitig. An dieser Stelle vor allem wohl überraschend und – geben wir es zu – auch absurd! Diese Vorgehensweise ist nicht gerecht und muss deshalb beendet werden.
„Aber wir leben vom Tourismus“, ist in diesem Zusammenhang dann noch das Argument, das immer wieder zu hören ist. Aber wie und was ist unsere Stadt tatsächlich? Wohnstadt sagen wir alle hier in den letzten Jahren immer gerne, für junge Familien und ältere Menschen mit auf sie zugeschnittenen Wohnangeboten. Jever ist außerdem auch eine Behördenstadt, die Kreisstadt des Landkreises Friesland, eine Stadt des gewerblichen Mittelstands, eine Bierstadt, eine Bundeswehrstadt, ein Bildungsstandort mit vielfältigem schulischem Angebot, eine Kulturstadt und das Zentrum einer umliegenden ländlichen Region mit Eisenbahn- und Autobahnanschluss.
Ja, und Jever ist dann auch Urlaubsort und Tourismusstadt. Neben Städtetourismus mit Museumsbesuch, Einkaufen, Essen und Trinken profitiert die Stadt Jever vor allem auch als alternatives Ausflugsziel an Schlechtwettertagen, wenn der Regen die Urlauber vom Strand fernhält oder auch, wenn der Sonnenbrand vom Inselausflug in den schattigen Mauern eines alten Schlosses gekühlt werden muss. Wir sollten nicht den Fehler machen, uns mit den unserer Küste vorgelagerten Inseln oder den wangerländischen Küstenbädern zu vergleichen, die in der Tat das ganze Jahr vom Sommerurlaub sowie dem Tourismus leben und darauf ausgerichtet sind. Und wir sollten auch nicht so vermessen sein, und unsere Stadt mit anderen Kleinstädten im Binnenland vergleichen, die unbestritten ganz klassische touristische Destinationen sind. Ich denke da an die Kleinstädte Wittenberg, Eisenach, Bingen oder Rüdesheim. Jeden Tag kommen dort unzählbare Reisebusse mit Menschen aus der ganzen Welt an, die die jeweilige Stadt und ihre Besonderheiten kennenlernen wollen. Das sind Kleinstädte, die wirklich nur oder fast nur vom Tourismus geprägt sind.
Falsch ist somit also auch die Behauptung, durch die Steuererhöhungen müssten jetzt alle Einwohnerinnen und Einwohner für die Förderung des Tourismus aufkommen. Das ist – um es auf den Punkt zu bringen – Unsinn. Alle in Jever profitieren von einer florierenden Stadt mit den uns bekannten öffentlichen und privatwirtschaftlichen Leistungen. Urlauber haben gemeinhin wenig Nutzen von guten schulischen Angeboten, Kinderbetreuung, Sporthallen, Fußballfeldern, Jugendarbeit und und und. Würden wir die Steuern nicht erhöhen, müsste das Sparen und Streichen bei diesen und anderen Leistungen beginnen. Das wollen wir – ebenso wie unser Bürgermeister – hier und heute aber sicherlich nicht. Ebenso wollen wir Jeveraner nicht auf unsere gute und buntgemischte gastronomische Welt verzichten, und auch, dass man in Jever immer noch recht gut und vielfältig einkaufen kann, ist ein inzwischen seltenes Merkmal einer Kleinstadt. Und davon profitieren natürlich auch wir Einheimischen, und zwar an 365 Tagen im Jahr und nicht nur für einzelne Tage oder eine Urlaubswoche.
Jever ist anders. Und wirklich vielseitig. Was unsere Stadt ausmacht, habe ich gerade ja in vielen Facetten dargestellt. Und ein Fremdenverkehrsbeitrag, der finanziell an etwas partizipieren will, das im vermuteten Umfang gar nicht existent ist, gehört eben nicht dazu.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.